Wohnbauplanung „Filitzgelände“ in Ruhpolding: Forderung nach einem sofortigen Verkaufsstopp

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07. September 2021

Mit der Begrüßung durch Brigitte Paul, Ortsprecherin der Grünen und einem Kurzreferat von Ludwig Gähler zum Thema „Stadtplanung im ländlichen Raum“ startete der Workshop mit einer erfreulich großen Teilnehmerzahl.
Wie beim Grünenstammtisch vereinbart, nahmen auch Vertreter*innen des SPD-Ortsverbandes Ruhpolding am Workshop teil.

Die wichtigsten Grundsätze einer Stadtplanung im ländlichen Raum stellte Gähler vor:

  • Planung von innen nach außen

- erst Verdichtung im Innenbereich, dann Bebauung der Außenbereiche

  • Multifunktionale statt monofunktionale Bebauung

- Planung funktionsdurchmischter Quartiere (multifunktional)

- Planung funktionsgetrennter Quartiere (monofunktional)

  • Qualitätsvolle Dichte

- Erschließung und Infrastrukturkosten für Einfamilienhäuser sind bedeutend höher als für Mehrfamilienhäuser

Ludwig Gähler bei seinem Kurzreferat | Foto: Herbert Koch (Fotograf)

Die wichtigsten Grundsätze einer Stadtplanung im ländlichen Raum sieht Gähler in einer multifunktionalen Bebauung, also durchmischte Quartiere, die Platz für Kleingewerbe, Begegnungsflächen, Spielplätze und auch Gemeinschaftsgärten vorsehen. Durchmischt auch nach demographischen und ökonomisch-sozialen Aspekten. Mit geplanten und realisierten Wohnbauprojekten, die diese Grundsätze umsetzen, zeigte Ludwig Gähler innovative, moderne und bezahlbare Wohnbauplanung an verschiedenen Modellen auf. So entstand das Projekt Wohnen am Klosteranger in Weyarn als ein Mehrgenerationenquartier mit Supermarkt, Cafe, Gemeinschaftsräumen, Reihen- und Mehrfamilienhäusern und Grünflächen für gemeinschaftliches Gärtnern. Ein anderes Beispiel in Wörthsee, dort entstehen auf einem Supermarkt 21 sogenannte Starterwohnungen mit Wohnungsgrößen von 31 – 63 qm. Hier wird eine Wohneinheit mit 31 qm nicht mehr als 400 € Warmmiete kosten.
Bei allen Teilnehmer*innen des Workshops wurde der Vortrag begeistert aufgenommen und mit der einhelligen Meinung „Wo ein Wille, da auch ein Weg“ ging es nahtlos über in eine engagierte Diskussion, die Sepp Hohlweger moderierte.

Nach kräftigem Applaus und einem Dank für seinen Vortrag an Ludwig Gähler ging Hohlweger auf die fehlende Konzeption zur bezahlbaren und sozialen Wohnraumplanung in der Gemeinde Ruhpolding ein und bezog sich auf die bereits aus 2017 stammende Sozialraumanalyse, die im Gemeinderat wohl recht unbekannt ist. In Ruhpolding lag der Anteil der Haushalte mit einem Nettoeinkommen von weniger als 1.500 €/Monat bei 31% und damit deutlich über dem Landkreisdurchschnitt von 26%, weitere 31% der Ruhpoldinger Haushalte verfügen über 1.500 – 2.600 € Netto/Monat. Die Zahlen stammen leider noch aus 2014; verdeutlichen aber den dringenden Bedarf an bezahlbaren Wohnraum und zeigt auf, dass wir eine neue aktuelle Sozialraumanalyse mit stärkerem Fokus auf die Wohnungssituation brauchen.

Im Ergebnis der Antworten der Gemeinde Ruhpolding auf einen von der Wohnrauminitiative des SPD-Kreisverbandes Traunstein an alle Gemeinden des Landkreises versandten Fragebogens informiert Margarete Schürholt darüber, dass in Ruhpolding der Bedarf an bezahlbarem Wohnraum nicht bekannt ist und die Gemeinde keine Auskunft zum aktuellen Wohnraumbedarf geben kann. Die bei einer Diskussion getroffene Aussage des Bürgermeisters, dass die Ruhpoldinger*innen keine Wohnungen sondern nur Einfamilienhäuser wollen, geht an den Interessen der Bürger*innen vorbei so Schürholt. Sie schlägt eine gemischte Bebauung für Gering- und Besserverdiener*innen vor, die an den Interessen der Bewohner*innen ausgerichtet sein sollte.

Denkbar wäre auch ein Genossenschaftskonzept für Mehrgenerationenbauten, führen Manuela Wittke und Herbert Koch an. Hier wäre aber die Bereitschaft der Gemeinde erforderlich, ihre Bürger*innen an der Wohnbauplanung des Filitzgeländes zu beteiligen und den Grund dem Gemeinwohl zur Verfügung zu stellen, so Herbert Koch. Matthias Mayer platzt fast die „Hutschnur“ bei der Information, dass kein Bedarf an bezahlbarem Wohnraum vorhanden sein soll. Er lebt mit seiner vierköpfigen Familie in einer 63 qm großen Wohnung und sucht dringend eine größere bezahlbare Wohnung. Und nicht nur seine Familie ist auf der Suche; sondern auch ca. 80 % der ihm bekannten Kitafamilien so Mayer.

Auch ältere Menschen wollen aus ihren großen Einfamilienhäusern bzw. Wohnungen raus, finden aber keine passende bezahlbare kleinere Wohnung spricht Maria Haßlberger an und verweist auf die fehlende Anlaufstelle zur Steuerung des Wohnraumbedarfs in der Gemeinde Ruhpolding. Bei der Regierung von Oberbayern und im Landratsamt Traunstein ist die angespannte Wohnsituation in Ruhpolding bekannt. Umso unverständlicher ist das Vorhaben des Wohnbauwerkes im Auftrag der Gemeinde, das Filitzgelände an einen Investor zu verkaufen äußern einvernehmlich die Mehrzahl der Teilnehmer*innen.

Teilnehmer*innen am Workshop | Foto: Herbert Koch (Fotograf)

Bernd Magenau verdeutlicht nachdrücklich, dass lt. Wohnbauwerksatzung Abschn. II §2 der vorrangige Zweck des Wohnbauwerkes Ruhpolding eine sichere und sozialverantwortliche Wohnungsversorgung der einheimischen Bevölkerung ist. Ute Dörfel verweist darauf, dass es sich um das Eigentum aller Ruhpoldinger Bürger*innen handelt und nicht um das Eigentum des Wohnbauwerkes.

In der Diskussion kristallisierte sich heraus, dass ein sofortiger Stopp der Verkaufsverhandlungen für das Filitzgelände gefordert wird.
Ziel soll ein intensiver Austausch mit Bürgerbeteiligung zur Entwicklung einer möglichen Wohnbebauung unter Einbeziehung der präsentierten Modellprojekte auf dem Filitzgelände sein.
Neue Chancen nutzen, ist sicher sinnvoll und kann durchaus auch kreative Ausschreibungen ergeben, dass zum Beispiel der Investor den Zuschlag erhält, der die niedrigsten Mieten und Kaufpreise bietet.
Das erfordere aber eben nochmals eine Denkpause um diese einmalige Gelegenheit nutzen zu können.
An das Wohnbauwerk gerichtet, nehmen wir uns die Zeit!

Der Schlusssatz von Maria Haßlberger, dass das Wohnbauwerk 1983 stolz auf 141 sozial gebundene Wohnungen war und heute kein sozial gebundener Wohnraum in der Gemeinde Ruhpolding zur Verfügung steht, führt bei allen Teilnehmer*innen zur Betroffenheit aber auch dem unbedingten Willen zur Veränderung.
Ute Dörfel und Margarete Schürholt

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